Ich habe diesen Artikel gestern Abend angefangen zu schreiben…und auf einmal prasselten die Nachrichten von dem Amoklauf auf mich ein. Unsere Wohnung liegt etwa eine viertel Stunde vom Münchner Olympia Einkaufzentrum entfernt, ich konnte die ganze Zeit die Hubschrauber hören und war froh als mein Mann endlich wieder zu Hause war. Heute Nachmittag hat sich alles ein wenig beruhigt und ich habe mich an „Kopfkühlende Kunst“ erinnert…ich möchte den Beitrag trotz und gerade wegen der gestrigen Ereignisse veröffentlichen: Kunst, egal in welcher Form, ist ein Ausdruck für das was in uns vorgeht, kann also ablenken oder aufmerksam machen und ist daher in diesen Zeiten vielleicht wichtiger als je zuvor. Also ab in die Kunstakademie.
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Bei gefühlten hundert Grad Celsius ging es am Donnerstag in die ehrwürdigen Mauern der Münchner Kunstakademie. Hier läuft noch bis Sonntag 24.07.16 die Jahresausstellung: StudentInnen der Bildhauerei, Malerei, Architektur, Film, Druck und Goldschmiede öffnen eine Woche lang die Pforten und gestalten die Klassenräume als Showroom ihrer neuesten Arbeiten.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Vernissagen kann man hier Farbe und Material noch riechen, auch mal ganz nah an die Werke hin und die KünstlerInnen persönlich treffen und anquatschen. Es ist spannend die Arbeiten als Zeugnisse von Arbeitsprozessen und künstlerischen Entwicklungsphasen zu entdecken. Alle meiner Bilder aus der Ausstellung seht ihr hier. Leider habe ich mir nicht immer akribisch notiert in welcher Klasse das Werk hängt, aber bei Interesse kann ich das sicher irgendwie rekonstruieren.
StudentIn der Bildenden Kunst sein heißt sich ausprobieren d.h. Ideen auch zu verwerfen, noch nicht in Perfektion zu produzieren, aber vor allem den eigenen Weg und die individuelle Ausdrucksform finden. Bei wirklich guten KünsterInnen ist diese Entwicklung nie zu Ende und an Orten wie diesen wird der Grundstein für die weitere Karriere gelegt oder manchmal leider auch Träume beerdigt.
Die Werke werden in dem beeindruckenden Gegensatz zwischen zeitgenössischer Kunst und dem historischen Ambiente des Baus und der Umgebung präsentiert: immer mal wieder spähen die Löwen des Siegestores durch ein Fenster oder eine herrschaftliche Treppe erinnert an die königlichen Bauherren und das herrschaftliche Kunstverständnis des frühen 19. Jahrhunderts. Um so cooler kommt da die Jahresausstellung daher: nicht im Frack und Reifrock, sondern mit Flipflops und dem obligatorischen Studenten-Bierflaschl wird hier flaniert. Doch die Lockerheit täuscht auch. Das Publikum ist zwar bunt, aber erlesen: hier sucht der ein oder andere Galerist nach neuen Stars, Journalisten ebenso und ziemlich sicher auch einige Sammler und Kuratoren sollten sich hier zumindest blicken lassen um noch als hip und nah an der Szene zu gelten. So wird, wie bei jeder normalen Ausstellungseröffnung auch, dann leise murmelnd auf der Treppe vor dem Haupteingang gefachsimpelt und halt auch gern a bisserl gelästert.
Vor allem für die StudentInnen am Ende der Ausbildung ist die Jahresausstellung ein letztes Atemholen vor der Schau ihrer Abschlussarbeiten im kommenden Frühling und schließlich dem harten Leben als freischaffende/r KünstlerIn. Die Qualität und das Niveau mancher Werke ist beeindruckend und macht definitiv Lust auf mehr. Und auch für nicht so kunstaffine BetrachterInnen lässt sich hier viel entdecken und erleben – morgen letzte Chance: hingehen.