O du mein Februar

IMG_3867O du mein Februar: Ich bin jetzt 36 – also seit fast einer Woche schon. Zeit wirds endlich einmal weniger über andere und wieder mehr über mich nachzudenken. Und zwar positiv. Der Winter schaltet bei mir nämlich sehr gern den Selbstzerstörungsmodus an: grauer Himmel = Leben ist blöd = keiner mag dich. „Das ist natürlich Quatsch….“ murmelt verschlafen mein guter Engel und dreht sich für ein weiteres Nickerchen auf meiner Schulter um. Und pennt weiter bis zum Frühling.

O du mein Februar: Dann nörgle ich weiter: warum hat die und ich nicht? Und warum hat der? Und warum klappt das schon wieder nicht? Ein Beispiel, und das macht mich wirklich langsam fertig, ich bin inzwischen davon überzeugt, dass meine Wohnung irgendwas gegen mich hat. Vieles, das ich hier kaufe, installiere oder in naiver Weise  innovativ innenarchitektonisch plane – es will einfach nicht klappen. In einem Laden um die Ecke (ich LIEBE dieses Geschäft: bei meinem Sohn und mir heißt es einfach nur „der Kruscht“) habe ich letzte Woche eine HipHop-Oldschool-70er Jahre-Wanduhr gekauft. Ich habe mich wie ein kleines Kind gefreut endlich diese blöde Ikea-Uhr, die jeder zweite in der Küche hängen hat, abzunehmen und dafür dieses CaptainFuture-Teil mein Eigen nennen zu können. Sie sollte nun ein adäquater Ersatz für die Uhr meiner Großtante werden, die mein einziges Erbstück von ihr war und bei dem Umzug in eben jene unsere Wohnung kaputtgegangen ist.

Captain Future Clock bringt – versteht sich von selbst – ein Originaluhrwerk mit sich. Voll cool kann die ticken. Nur…die Uhr geht vor. Und zwar rasant. Der Sekundenzeiger hetzt die Augenblicke durch was das Zeug hält und hat meinen Mann und mich erst einmal in sehr schweißtreibende, panikartige  Aufbrüche aus der Wohnung veranlasst bis wir gemerkt haben, dass die Uhr locker doppelt so schnell davontickert wie sie sollte. „Nein, sie war gar nicht teuer, Schatz“. Aus lauter Frust, aber auch aus einer Spur Melancholie heraus, möchte ich sie trotzdem nicht abhängen. Sie steht für mich gerade für das ewige Eilen und Rasen meiner Gedankenwelt oder auch, wenn man so will, unserer heutigen Gesellschaft. Mhm.

(O du mein Februar: Übrigens benötige ich für jedes Bild, das ich in unserer Wohnung aufhängen möchte einen anderen Nagel, da tatsächlich jede Wand anders beschaffen ist. Unsere Heizungen gehen gar nicht oder verwandeln unser Zuhause in einen subtropischen Dschungel….ich könnte noch viele Zeilen und Stunden so weiter schreiben.)

O du mein Februar: Der Punkt ist, im Sommer juckt mich das alles nicht. Da sind alle Fenster auf, ich habe meine geliebten, riesigen Pappeln vor dem Fenster und wir fallen aus der Haustüre in den Englischen Garten. Aber im Winter kommt der Brainloop: Ich muss glücklich sein mit der Lage, mit dem Mietpreis (immerhin HABEN wir eine Wohnung in München) und mit meinem Leben überhaupt. Wenn ich dann über den Meckerrand hinaus sehe, geht es natürlich gar nicht um die Wohnung und welche blöde Uhr an der Wand hängt. Es ist vielmehr eine Dauernagesendung in meinem Kopf, die bereits seit vielen Jahren in einer Endlosschleife vor sich hinmeändert. Unzufriedenheit aus Prinzip und die ständige Frage: bist das jetzt du? Dann halte ich es einfach nicht aus, das ausgerechnet eine normalo Ikeauhr mein Leben taktieren soll oder mich der Trödelhändler aus meinem Lieblingsladen wohl verarscht hat. Gerade im Februar halte ich es nicht mehr aus, das ich einfach ganz normal bin. Gerne Schokolade esse, faul bin, bisweilen undiszipliniert und mein Sohn mich in all seiner winterlichen Unausgelastetheit so in den Wahnsinn treibt das ich laut werde.

O du mein Februar: An meinem Geburtstag letzte Woche dachte ich mir das erste Mal: ob Kackwetter oder nicht: ich will das nicht mehr. Ich will mal endlich durchschnaufen, Ikea Ikea sein lassen und mir selbst verzeihen und nicht so verdammt grantig auf die Welt sein. Ich gehe gleich morgen in den „Kruscht“ und gebe die Hipsteruhr zurück. Soll sie doch jemand anderem davonlaufen.

 

 

 

 


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